ESSAY-BRIEF

Essay-Brief  Jänner 2018

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Wer bin ich? Wer ist Gott? Teil 1

© Bernd Helge Fritsch

 

Unsere Seele

Der Mensch ist ein geistiges (spirituelles) Wesen. Im Grunde ist alles, was wir wahrnehmen und erkennen Geist. Alle Formen, alle Gedanken und Gefühle sind Ausdruck des unendlich weiten und tiefen geistigen Seins.

Dieses geistige Sein entzieht sich jeder Beschreibung. Was der Mensch jenseits der Erscheinungswelt wirklich ist, lässt sich mit Worten nicht ausdrücken. Doch Worte sind erforderlich damit wir uns auf dem Weg zur Erkenntnis austauchen können. Worte sind Kräfte. Sie verändern uns und die Welt.

In diesem Sinne können wir drei Wesensglieder des Menschen unterscheiden:

Unser körperliches Wesen, welches man auch als unser „tierisches Wesen“ bezeichnen kann, weil es sich kaum von den Eigenschaften der Tiere unterscheidet. Es ist charakterisiert durch unsere Instinkte, unseren Überlebenstrieb und durch den Fortpflanzungstrieb.

Unser „menschliches Wesen“ umfasst unser Mental-Leben, unser spezielles Denken, Fühlen und Wollen. Dieses ist insbesondere geprägt durch unsere Fähigkeit zu denken, zu analysieren, zu bewerten, in gut und schlecht einzuteilen. Daran knüpfen sich unsere Gefühle und unser Wollen. Zudem sind es unsere Gedanken an Vergangenes und Zukünftiges, die uns gerne die Göttlichkeit des Augenblicks versäumen lassen.

Zuletzt birgt der Mensch in sich ein „Göttliches Wesen“, welches, weil transzendent, wie schon gesagt mit Gedanken nicht greifbar und mit Worten nicht zu beschreiben ist. Dieses Wesen jenseits aller Begriffe hat dennoch viele Namen. Es wird als unser „Geist“, unser „Bewusstsein“, als unser „Selbst“, als „Atman“, „Buddha oder Christus in uns“ oder auch als unser „innerster Wesenskern“ bezeichnet.

Das Zusammen-Spiel der drei Wesensglieder

Die Einteilung der Wesensglieder des Menschen in tierisch, menschlich und göttlich entspricht der Beschreibung wie diese durch die indischen Weisen schon vor rund drei tausend Jahren erfolgte. Sie bezeichneten die in unserer Seele wirkenden Kräfte als die drei „Gunas“ mit den Namen Tamas, Rajas und Sattva. Tamas bedeutet Genusssucht gepaart mit geistiger Dumpfheit; Rajas ist gekennzeichnet durch rastloses Denken und Werken um materiellen Besitz, Macht und Glück zu erlangen. Als Gegenpol zu den Auswirkungen von Tamas und Rajas, die den Menschen an die Welt der Formen fesseln, wurde Sattva angesehen. Sattva bedeutet Reinheit, Liebe und Weisheit. Durch diese Kraft ist der Mensch mit seinem göttlichen Wesenskern (Atman) verbunden.

Je nach erreichter Bewusstseinsstufe und individueller Eigenart wirken diese drei Kräfte unterschiedlich in der Seele des Menschen. Sie bestimmen seinen Charakter und seine gegenwärtige Lebenssituation sowie sein zukünftiges Karma. Überwiegt bei einem Menschen Tamas, so wird er stark mit seinen körperlichen Begehren beschäftigt sein und sich wenig um spirituelles Wachstum kümmern. Ist jemand überwiegend von Rajas gesteuert, so hat für ihn Erfolg im äußeren Leben höchste Priorität. Je mehr Sattva Einfluss auf das Denken und Handeln eines Menschen ausübt, desto deutlicher wird sich dieser zur geistigen Welt, zur Harmonie und zum Einklang mit allem Sein hingezogen fühlen.

Unbegrenzter Zugang

Wir Menschen sind nicht nur Teil der geistigen Welt, sondern im Wesensgrund identisch mit ihr.

Als geistiges Wesen leben wir in einer geistigen Welt und haben unbeschränkten Zugang zu bedingungsloser Liebe und grenzenloser Weisheit. Nur scheinbar besteht eine Trennung zwischen dem All-Geist und unserem persönlichen Geist. So wie der Raum in einem Krug in seiner Essenz identisch ist mit dem unendlichen, alle Galaxien beinhaltende Weltraum, so ist auch der menschliche Geist in seiner Essenz identisch mit dem allumfassenden Geist – auch „Gottheit“ genannt.

So wie es nur „einen“ allumfassenden Weltraum gibt, so gibt es auch nur „einen“ allumfassenden Geist.

Beschränkt wird unser spirituelles Sein nur durch mangelnde Bereitschaft uns für die geistige Welt zu öffnen. Anders gesagt, weil die Menschen ihre Herkunft nicht kennen, weil ihnen das einzig wichtige Ziel ihrer Lebensreise nicht bewusst ist und sie daher ihr Heil in der äußeren Welt suchen, versäumen es die meisten Menschen „in diese geistige Welt einzutreten“ oder „zu erwachen“. Es sind unsere anerzogen Gedankenmuster, unser Misstrauen, unsere Unwissenheit und unsere Ängstlichkeit die uns daran hindern aus dem kollektiven Traum von Beschränkung, Mangel und Vergänglichkeit zu erwachen und die Vollkommenheit, Schönheit und Glückseligkeit des Seins bewusst wahrzunehmen.

Bewusstsein

Der Begriff „allumfassender Geist“ bezieht sich auf das „unsichtbare, mit unserem Verstand nicht erreichbare, transzendente Sein“. In den diversen Religionen wird dieses an sich „namenlose Sein“ unterschiedlich benannt, beispielsweise als „Gott“, „Brahman“, „Tao“ oder „Allah“.

Das Wort „Geist“ wird auch gerne mit der Bezeichnung „Bewusst-Sein“ gleich gesetzt. Der Begriff „Sein“ in Verbindung mit dem Wort „bewusst“ hat eine besondere Bedeutung. So hat ein Mensch im Schlaf, im Zustand von Ohnmacht, Koma oder Narkose zwar Sein, doch ist er sich seines Seins nicht „bewusst“. Seine Seele steht zwar (noch) in Verbindung mit seinem Körper, doch alle Mind-Funktionen, wie Wahrnehmen, Denken und Fühlen, sind unterbrochen.

„Bewusst-Sein“ deutet also hin auf ein Sein, welches sich selbst wahrnimmt, welches sich seiner Wesenheit bewusst ist. Jeder Mensch bestimmt selbst inwieweit er bewusst lebt. Wir entscheiden fortlaufend ob wir körperbewusst, gefühls- und gedanken-bewusst oder gar „seins-bewusst“ sind.

Jeder Mensch befindet sich auf seiner eigenen, speziellen Bewusstseinsstufe. Abhängig ist dieses Bewusstseins-Niveau von mehreren Faktoren, insbesondere von unserem Vorleben, von unserer bisherigen spirituellen Arbeit, von unserer Achtsamkeit, von unserer Bereitschaft unser inneres und äußeres Sein zu beobachten. Unser Bewusstsein entscheidet letztlich über unsere Lebensqualität, unsere Zufriedenheit, unser Glücklich-Sein und über unser künftiges Leben.

Bewusstseins-Stufen

Wir können grob drei Stufen von Bewusstheit unterscheiden: „normale Unbewusstheit“, „tiefe Unbewusstheit“ und „erwachtes Bewusstsein“. Daneben gibt es natürlich unzählige Zwischenstufen.

Die meisten Menschen sind sich ihres Innenlebens selten bis gar nicht bewusst. Man kann sagen sie befinden sich im Zustand „normaler Unbewusstheit“. Allzu sehr ist ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge in der Formen-Welt gerichtet. Sie kümmern sich nicht um das „Himmelreich“, das sich in ihrem Inneren befindet.

Zustände von „tiefer Unbewusstheit“ werden in der Regel durch Gefühle von Zorn, Wut, Panik, große Angst ausgelöst. In dieser Seelenverfassung neigt der Mensch zu unkontrollierten Handlungen. Oft stellen sich Gefühle der Ohnmacht, der Verzweiflung, das Gefühl von allen guten Geistern verlassen zu sein oder in einen Abgrund zu stürzen, ein. Auch schwere Depressionen gehen in der Regel mit tiefer Unbewusstheit einher.

„Erwachtes Bewusstsein“ oder auch „reines Bewusstsein“ genannt, ist identisch mit unserer zuvor bereits beschriebenen göttlichen Wesenheit. Es kann daher ebenso wenig beschrieben werden, wie unser innerstes Sein. Wir können es nicht „erdenken“ sondern nur verwirklichen. Wir können es einfach nur sein. So sollen die folgenden Worte nur als Wegweiser zu unserem Innersten Sein, zu unserem „reinen Bewusstsein“ dienen.

Bewusstsein – die Bühne unseres Lebens

Dein Bewusstsein ist die Bühne auf der sich deine Wahrnehmungen, deine Gedanken und Gefühle ereignen. Dein Bewusstsein ist vergleichbar mit der Leinwand in einem Kino. Die Bilder des Kino-Films werden auf eine Leinwand projiziert, wodurch sie dort sichtbar werden. Durch diese Bilder, die über die Leinwand huschen, entsteht beim Kinobesucher die Illusion eines tatsächlichen Geschehens. Real sind bei diesem Geschehen nur die Leinwand, der Vorgang der Projektion und der Beobachter des Films. Die Bilder des Films sind nur Licht in verschiedenen Formen und Farben welches über die Kino-Leinwand flimmert. Diese Bilder versetzen den Zuschauer in eine Art Traumzustand. Sie rufen in seinem Bewusstsein eine Scheinwirklichkeit hervor, in der er während der Dauer der Filmvorführung mehr oder minder „gefangen“ bleibt. In der Regel „erwacht“ der Zuschauer erst mit dem Ende des Kino-Films aus diesem Traum wieder zu seiner Alltags-Wirklichkeit.

Im „Kino unseres Lebens“ ist die Bühne, das Fundament unserer Wahrnehmungen (die „Kino-„Leinwand“), unser Bewusstsein. Alle unsere Wahrnehmungen, Gedanken, Wünsche, Gefühle und Erinnerungen erscheinen auf dieser „Leinwand“, das heißt, in unserem Bewusstsein. Dieses Bewusstsein verhält sich gegenüber dem Film, der darauf produziert wird, wie eine Kino-Leinwand völlig neutral.

Jeder Mensch ist für sich verantwortlich welchen „Film“, welche Gedanken, welche Gefühle und Erinnerungen er auf sein Bewusstsein projiziert. Unbewusste Menschen achten nicht auf diese Vorgänge in ihrem Inneren (in ihrem Bewusstsein) und sind daher ihren Gedanken- und Gefühlsmustern, ihren Erinnerungen und ebenso ihrer unbewussten Auswahl und den unbewussten Bewertungen ihrer Sinneswahrnehmungen hilflos ausgesetzt.

Befreiung durch Achtsamkeit

So wie wir nach dem Ende eines Kinofilms das Kino verlassen und wieder zur „Realität“ zurückkehren, so können wir auch die Illusion unseres bisherigen „Lebens-Films“ beenden und zu einer höheren, geistigen Realität erwachen. Dazu ist es erforderlich zwischen unserem unvergänglichen Bewusstsein, unserem ewigen „Sein“ und den vergänglichen Erscheinungen, den Bildern unseres „Lebens-Films“, die auf der Leinwand unseres Bewusstseins entstehen und vergehen, zu unterscheiden.

Das Erwachen zu unserem „göttlichen Wesen“ erfolgt durch konsequente Beobachtung unserer Gedanken und Gefühle, womit automatisch eine Befreiung von ungewollten, oft negativen Bewusstseins-Inhalten verbunden ist. Durch diese Beobachtung erfolgt eine innere Reinigung. Schließlich, bei entsprechender Übung und Achtsamkeit, sind wir in der Lage, sozusagen auf „Abruf“, den glückseligen Zustand eines von Gedanken befreiten Bewusstseins zu erlangen.

Frei von Inhalten, die sich auf die Welt der Formen beziehen, begegnet das Bewusstsein sich selbst und wird so seiner selbst bewusst. Damit erfahren wir unser Wesen jenseits unseres vergänglichen Körpers, jenseits unserer Gedanken und weltlichen Gefühle. Wodurch unsere verhängnisvolle Identifikation mit den Formen der Welt beendet wird.

„Seid Wächter am Tor des Bewusstseins und lasst nur noch gute Gedanken in euch hinein und aus euch heraus. Denn was ihr denkt, das werdet ihr, das zieht ihr heran, das macht euer Leben schwerer oder leichter. Gedankenbeherrschung ist der Beginn von Selbstbeherrschung; Selbstbeherrschung führt zur Lebensmeisterung und diese zur Lebens- und Schicksals-Meisterung. Auf diese Weise wird der Weg zur erlösten Glückseligkeit frei.

Jain Mahavira (549 - 477 v. Chr. – indischer Mystiker und Philosoph)

 

Mit herzlichem Gruß

Bernd

 

Fortsetzung folgt